Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg

Der Friedensvertrag von St. Germain
Der Friedensvertrag von St. Germain, der im September 1919 unterzeichnet wird, regelt nach dem Ersten Weltkrieg die Aufteilung der österreichischen Reichshälfte Österreich-Ungarns. Mit dem Vertrag wird der südliche Teil des österreichischen „Kronlandes“ Tirol dem Königreich Italien zugeschlagen. Die „neue“ geopolitische Grenze verläuft am Brenner. Der „Friedensvertrag“ wird im Oktober 1920 ratifiziert, die Annexion Südtirols durch Italien wird somit rechtskräftig und die Bemühungen der Süd-Tiroler um eine Autonomie schwinden damit dahin. Die italienische Regierung trifft bereits unmittelbar nach dem Krieg verschiedene Maßnahmen, die die „neue“ Zugehörigkeit des südlichen Tirols zu Italien deutlich werden lassen sollten.

Der Faschismus
Mit dem Marsch auf Rom im Herbst 1922 übernehmen die Faschisten die Macht in Italien, für Südtirol beginnt damit eine Phase der Zwangsitalianisierung; z. B. wird der Gebrauch der deutschen Sprache untersagt, deutsche Schulen werden geschlossen, deutschsprachige Beamte und Lehrer entlassen oder zwangsversetzt. Vereine werden verboten oder dürfen keine traditionelle Tracht mehr tragen, Symbole und deutsche Inschriften auf kulturell und historisch bedeutenden Objekten werden willkürlich entfernt. Im Jahre 1928 wird das „Siegesdenkmal“ in Bozen feierlich eröffnet. Von Benito Mussolinis Regime gefördert, wandern zehntausende Italiener nach Südtirol ein.

Die Option
Mussolini verfolgt die Italianisierung Italiens bis zum Äußersten. Nachdem im Jahre 1933 Adolf Hitler die Macht in Deutschland übernimmt und die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus mit all seinen dramatischen Folgen beginnt, hat das auch auf Südtirol wesentliche Auswirkungen.  Mit dem „Hitler-Mussolini-Abkommen“ (Oktober 1939) werden die Menschen in Südtirol vor die Wahl gestellt: sie können ihre Heimat verlassen und ins Deutsche Reich umsiedeln oder sie bleiben italienische Staatsbürger, allerdings unter Aufgabe der eigenen Identität, Muttersprache und Kultur. Das Abkommen betrifft neben den Südtirolern z. B. auch die Sprachminderheit der „Zimbern“ in der Provinz Trient (Lusern, Fersental), Vicenza (Sieben Gemeinden) Diese Entscheidung wird als Option bezeichnet. Der Termin für die Entscheidung wird auf den 31.12.1939 festgesetzt, ursprünglich lag die Entscheidungsfrist „erst“ auf dem 31.12.1942. Es beginnt eine massive, auch von den Nationalsozialisten geförderte Kampagne zugunsten der Umsiedlung, der letztendlich über 80% der Südtiroler folgen. Die Kriegsereignisse sorgen allerdings dafür, dass schließlich ‚“nur“ rund 75.000 Südtiroler (von ca. 250.000 Einwohnern, ohne Italiener) auch tatsächlich ihre Heimat verlassen.


Martin Niederkofler
Martin Niederkofler

Veröffentlicht am 7. Dezember 2016